Vorwort aus Franz Zanellas Buch „Soviele Bilder sind in mir“

von Prof. Dr. R. Haller:






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1870 braust über den Bayerischen- und den Böhmerwald ein gewaltiger Sturm hinweg, der weite Waldflächen niederlegt.


Diesen sog. „Windriss" aufzuarbeiten und damit auch den gefräßigen Borkenkäfer abzuwehren, werden im Jahr 1874 allein im Bereich Buchwald/Bučina 400 zusätzliche Holzhauer aus Südtirol, Krain und Kroatien angeworben.

Unter ihnen befindet sich auch der Urgroßvater von Franz Zanella, Giovanni Zanella. Er stammt aus Malé an der damaligen italienisch österreichischen Grenze. Mit ihm gekommen sind auch die Schwester Dominika und der Bruder Dominik. Giovanni verdingt sich als Marketender. Er versorgt seine Landsleute mit Wein und Käse aus der alten Heimat. Dann heiratet er die Tochter des Gastwirtes Plechinger bleibt für immer in Buchwald  und bringt das Wirtshaus "Zum Tiroler" zum allgemeinen Ansehen. Franz Zanella wird einmal die Stammheimat der Familie besuchen und dort erfahren: Viele der Zanellas seien aus jener Gegend vor der Armut geflohen und in alle möglichen Länder ausgewandert. Einer von Ihnen nach Frankreich, wo er den Ruf eines bedeutenden Künstlers genieße.


Von Bildender Kunst freilich kann in der ersten Böhmerwald-Generation der Zanella noch nicht berichtet werden. Kunstübung beginnt sich in einfachen Formen erst beim Großvater mütterlicherseits zu regen. Der ist Wagner, macht neben Pflügen, Ziehschlitten und anderem auch Stehgreifgedichte. Er beschnitzt an den Feierabenden Gehstöcke mit grimmigen Gesichtern. Es sind apotropäisch wirkende Bartträger trefflich in der Auffassung und gekonnt im Schnitt. Ein Exemplar, der sog. „Dr. Eisenbarth“ hat die Flucht aus dem Böhmerwald überstanden.


Auch Franz Zanella wird sich zunächst dem Holzhandwerk zuwenden, der Not gehorchend, nicht dem inneren Lebensplan folgend, in einer Zeit, in der ein Lehrplatz zu den absoluten Glücksfällen gezählt wird, heißt nach dem zweiten Weltkrieg (1939-1945).

Von einem Feinmechaniker hatte er geträumt und mit einem unbändigen Schöpfungswillen im Gepäck hat er seinen Lehrplatz, eine monoton dahinsurrende Bau-schreinerei, wieder verlassen. Aber seine Holzerfahrung mitgenommen, die sich in seinen meisterlichen Miniaturmodellen so signifikant widerspiegeln wird.

Bemerkenswert ist weiter: Der Vater Johann Zanella zeichnet gerne. Als er Soldat in Russland ist, kommunizieren beide mit Bildern. Per Feldpost gehen Zeichnungen hin und her. Der Vater illustrierende Landesbeschreibungen: Russische Dörfer, Häuser, Menschen. Der Sohn Franz berichtet bildhaft – zeichnerisch von daheim. So entsteht eine zeitgenössische Chronik von dokumentarischem Wert.


Franz Zanella wird 1933 in Buchwald/Bučina geboren, wenige Tage nach der so genannten Machtübernahme. Sie wird sich schicksalshaft auch für ihn erweisen.


Buachad ist das höchstgelegene Dorf des Böhmerwaldes. Trotz Alltagsschinderei auf steinigen Böden bietet es noch Raum für die zweckfreie Muse. Da lässt sich manches entdecken und anstellen. In Buchwald lebt auch der Maler Brückner.  Ein Junggeselle und Sonderling der im Winter barfuss geht und seine Arien durch das Dorf singt. Der Brückner macht Eindruck auf den Buben. Oft sitzt der Franzl in dessen Malerstube. Eine eigenartige Welt tut sich jetzt auf. Später wird Zanella sagen: „Unbeschreiblich geheimnisvoll ist das gewesen, wenn der Brückner die Farben gemischt hat auf der Palette. Ganz anders als im wirklichen Leben!“

Die Empfindungen brennen sich ein. Wenn Zanella heute Terpentin riecht, denkt er assoziativ an den Brückner und seine Gemälde.

Nach einem Jahr Gymnasium geht die Idylle mit der zwangsweisen Vertreibung aus dem quasi Paradies schmerzlich zu Ende. Abschied von der unbeschwerten Kindheit. Neuanfang im Bayerischen Wald. Erst Anleitungen im Freihandzeichen bei Robert Link in Grafenau, Fernakademie Paul Link in Karlsruhe, Private Kunstschule München. Das technische Rüstzeug für weitere Unternehmungen ist geschmiedet.  Zanella beginnt zu malen. Aquarelle und Pastelle. Frei von akademischen Fesseln und ohne sich an einer bestimmten „Schule“ zu orientieren, gestaltet er nach eigenen Gesetzlichkeiten. Und auch das erscheint mir einer Erwähnung wert: 

Mit der Staffelei bepackt in die Natur zu gehen, wird damals im traditionell ländlichen Denken noch als etwas Spinnertes begriffen! Zanella kann das keineswegs beirren.

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